Stellungnahme zur beantragten Aufhebung des Alkoholverkaufsverzichts bei der Migros: Rettet die «Seele» der Migros!

Wird die Migros am Samstag die Tür zur Aufhebung seines vorbildlichen Verkaufsverzichts von Alkohol öffnen? Das Blaue Kreuz erinnert an die Vorteile der bisherigen Praxis. «Mit einem 'Verrat' an der DNA der Migros riskiert das Unternehmen, die Reputation eines sozialen und gesellschaftsverantwortlichen Grossverteilers zu verlieren, mit verheerenden Risiken für Gefährdete und vermutlich auch für die Unternehmensentwicklung», hält deren Präsident Philipp Hadorn fest, der sich 2011‒2019 als Mitglied des Nationalrats gegen verschiedene Liberalisierungsvorhaben des Alkoholverkaufs in der Schweiz eingesetzt hat.

Am Samstag entscheiden die Delegierten des Migros-Genossenschaftsbundes darüber, ob sie den generellen Verzicht auf den Verkauf von Alkohol beibehalten oder die Möglichkeit schaffen wollen, diesem ein Ende zu setzen. Der Verzicht auf den Verkauf von Alkohol und Tabakwaren ist in den Statuten des 1925 von Gottlieb Duttweiler gegründeten Unternehmens festgeschrieben. Er gehört zum Ideengut, das Duttweiler als Politiker, Journalist und Unternehmer konsequent vertreten hat.

Verkaufsverzicht aus ethischen Gründen

Die beschränkte Verfügbarkeit von Alkohol verringert den Alkoholkonsum und damit das Risiko, Alkohol ungesund oder gar schädlich zu konsumieren. Die vielfältige Erfahrung des Blauen Kreuzes bestätigt, dass für Personen, die in Gefahr sind, übermässig Alkohol zu konsumieren, besonders wichtig ist, bei ihren täglichen Einkäufen nicht «in Versuchung geführt» zu werden. Die positive Wirkung des vom Migros-Gründer eingeführten Verkaufsverzichts ist offensichtlich.

Das Blaue Kreuz, das Alkoholabhängige bei der Überwindung ihrer Sucht unterstützt und begleitet, appelliert an die Verantwortlichen der Migros, an der bewährten Politik des Verzichts auf den Verkauf von Alkohol festzuhalten. Damit kann der Grossverteiler einen Eckpfeiler seiner Identität bewahren, der von der Kundschaft geschätzt und gewürdigt wird. Ein innovatives und dynamisches Unternehmen wie die Migros verfügt über andere Möglichkeiten, seinen Umsatz zu steigern und Marktanteile zu gewinnen.

Zurück in die Vergangenheit?

Der schweizerische Pro-Kopf-Konsum von Alkohol ist heute leicht rückgängig. Dies dank veränderter Lebensgewohnheiten, verschiedener Jugendschutz- und Präventionsmassnahmen sowie der Eigenverantwortung des Detailhandels wie z.B. der Migros mit ihrem Verkaufsverzicht aus ethischen Gründen. Mit einem Politikwechsel bei der Migros könnte die erfreuliche Entwicklung der letzten Jahre gebremst oder gar rückgängig gemacht werden. «Sozialämter und soziale Organisationen geben Migros-Einkaufsgutscheine statt Geld ab, damit die Empfänger:innen den Alltagsbedarf decken, ohne den Kauf von Alkohol zu riskieren», ruft Philipp Hadorn, Präsident des Blauen Kreuzes Schweiz, in Erinnerung. «Keinen Alkohol zu verkaufen ist für die Migros ein Wettbewerbsvorteil, da viele Migros-Kund:innen deren gesellschaftliche Verantwortung, verbunden mit einem beachtlichen sozialen und kulturellen Engagement, als entscheidendes Unterscheidungsmerkmal zu anderen Ladenketten schätzen.»

Alkohol ist auch heute alles andere als harmlos. Schätzungsweise 250 000 Menschen in der Schweiz sind alkoholabhängig. Jeder zwölfte Todesfall lässt sich auf Alkoholkonsum zurückführen. Rund 100 000 Kinder und Jugendliche wachsen mit mindestens einem alkoholabhängigen Elternteil auf. Diese Kinder haben ein sechsmal höheres Risiko, selbst eine Suchtmittelabhängigkeit zu entwickeln. Laut dem Bundesamt für Gesundheit kostet der Alkoholmissbrauch die Schweiz jährlich rund 2,8 Milliarden Franken. Davon gehen der Volkswirtschaft 2,1 Milliarden Franken an Produktivität durch Krankheiten, Frühpensionierung und vorzeitige Todesfälle verloren.

Auskunft

 

Das Blaue Kreuz

Das Blaue Kreuz hilft suchtkranken Menschen, unterstützt deren Angehörige und setzt sich für einen verantwortungsvollen Konsum ein. Das Blaue Kreuz Schweiz ist der Dachverband von elf regionalen Organisationen. Es unterstützt diese, vertritt landesweit die Interessen des Blauen Kreuzes und fördert dessen Weiterentwicklung.