Wir feiern Geburtstag: 140 Jahre Blaues Kreuz

Ein Freitag im September 1877 in Genf: Louis-Lucien Rochat, reformierter Pfarrer aus dem Waadtland, gründet gemeinsam mit 27 Mitstreitern das Blaue Kreuz. Name und Auftrag wurden in Anlehnung an das Rote Kreuz gewählt: «Krankenträger zu sein, die sich auf den Kampfplatz des Lebens begeben, um die Opfer der Trunksucht und des Wirtshauslebens zu retten.» Was am 21. September 1877 als Engagement einiger Weniger begann, hat sich über die Jahrzehnte hinweg zu einer Volksbewegung und schlussendlich zu einer etablierten, professionellen Anlaufstelle für Suchtfragen entwickelt – weit über die Schweiz hinaus. In dieser Zeit hat das Blaue Kreuz die Suchtarbeit wie keine andere Institution geprägt. Unterstützungsangebote für Suchtkranke, Heime für die Kinder von alkoholkranken Eltern, die ersten Präventionsflyer und Filme oder die Ausbildung zur Suchtkrankenhelferin und zum Suchtkrankenhelfer: das Blaue Kreuz hat Zeichen gesetzt und zahlreiche Menschen begleitet.

Gleichzeitig wie das Blaue Kreuz feiert auch sein Gründer ein Jubiläum. Vor hundert Jahren starb Louis-Lucien Rochat. Was er hinterliess war beeindruckend. Innert weniger Jahre wurde das Blaue Kreuz von einer lokalen Initiative zu einer internationalen Bewegung. Dabei war es eher Zufall, dass ausgerechnet er sich diesem Kampf gegen den Alkoholmissbrauch verschrieb – noch zu Studentenzeiten war er als Verbindungsmitglied Wein und Bier alles andere als abgeneigt. Er galt sogar als besonders trinkfest. Gleichzeitig war ihm sein Glaube sehr wichtig. Ein Mitstudent stellte fest, dass Louis-Lucien Sonntags immer in der Kirche war – egal wie lange er am Vorabend noch gefeiert hatte. Dieser Glaube war es dann auch, der ihn zu seinem Engagement motivierte. Während einem Studienaufenthalt in England lernte er die dortige Abstinenzbewegung kennen. Für den Schweizer ein Schock. Dass man komplett ohne Alkohol leben konnte war für ihn unbegreiflich. Als Experiment bezeichnete er dann auch seine ersten Versuche, selber auf Alkohol zu verzichten. Zurück in der Schweiz wurde er mit den negativen Seiten des Konsums konfrontiert. In seiner Pfarrgemeinde litten viele unter ihrem übermässigen Konsum: Todesfälle, Gewalt und Armut waren die Folgen. Berührt von diesem Elend beschloss er zu handeln – und gründete das Blaue Kreuz.

Ein Verband im Wandel

Das Blaue Kreuz nutzt das Jubiläum vor allem, um in die Zukunft zu blicken. Denn noch immer werde das Blaue Kreuz dringend benötigt, so Philipp Hadorn, Präsident des Dachverbandes Blaues Kreuz Schweiz und Nationalrat. Der Verband leiste mit seinen vielfältigen Basisangeboten in der ganzen Schweiz und den vielen Freiwilligen nach wie vor eine wichtige Arbeit. Gleichzeitig ist der Blick in die Zukunft nicht nur positiv: „Der steigende Spardruck im Sozialbereich bei Bund und Kantonen, die anhaltende Tabuisierung des Alkoholmissbrauchs sowie dessen Folgen und die fehlende Solidarität mit Suchtkranken sind Herausforderungen, die das Blaue Kreuz in Zukunft beschäftigen werden“, erklärt Philipp Hadorn. Trotz allem zieht er ein positives Fazit: „Wir sind bereit dafür.“