Gary Leonard Oldman wurde am 21. März 1958 im Londoner Stadtteil Lewisham geboren. Er war der erste Sohn und das zweite Kind der Hausfrau Kathleen und des Schweissers und ehemaligen Seemanns Leonard Bertram Oldman. Seine 13 Jahre ältere Schwester Maureen, besser bekannt als Laila Morse, ist ebenfalls Schauspielerin. Mit ihr wuchs Gary Oldman in einem typischen englischen Arbeiterviertel auf. Das Umfeld empfand er als rau und motivierend zugleich: «Das Aufwachsen in einem Unterklasseviertel, in einer Arbeiterfamilie und das Fehlen von viel Geld – all das kann einen wütend machen, aber auch anspornen und einen Vorteil verschaffen.» Auch die familiären Bedingungen, unter denen Gary Oldman aufwuchs, waren nicht ideal. Sein alkoholabhängiger Vater verliess die Familie, als der Junge gerade sieben Jahre alt war. Die beiden hatten daraufhin während 15 Jahren kaum Kontakt. Im Alter von nur 62 Jahren starb sein Vater an den Folgen des Alkoholkonsums. «Ich habe meinem Vater nie gesagt, dass ich ihn liebe, bevor er starb, und ich habe deshalb viele Probleme. Sie schwirren alle in meinem Kopf und in meinem Herzen herum, sind ungelöst», sagte Oldman dazu. Ohne Vater aufzuwachsen brachte beengte finanzielle Verhältnisse mit sich. So verliess Oldman bereits mit sechzehn die Schule, um eine Stelle in einem Sportgeschäft anzunehmen. Später nahm er Arbeiten als Pförtner in einem Operationssaal, als Schuhverkäufer und als Mitarbeiter in einem Schlachthof an. Zu jener Zeit begeisterte sich Gary Oldman für die Musik. Weil das Geld für eine entsprechende Ausbildung fehlte, brachte er sich das Klavierspiel selbst bei und trat zwischendurch auch als Sänger auf. Seine Karriere sollte ihn aber in andere Bahnen lenken.
Über das Theater zum Film
«The Raging Moon» sah, war er so begeistert, dass er sich dazu entschied, selbst Schauspieler zu werden. Fortan verfolgte er dieses Ziel mit Ehrgeiz. Von Misserfolgen liess er sich nicht beirren. Zwei Jahre hintereinander bewarb er sich erfolglos um einen Platz an der renommierten Royal Academy of Dramatic Art, wo man ihm den Rat gab, mit etwas anderem Karriere zu machen als mit Schauspielerei. Im Jahr 1976 erhielt er schliesslich ein Stipendium am Rose Bruford College of Speech and Drama in Kent, das er 1979 mit einem Bachelor in Schauspiel abschloss. Im gleichen Jahr startete Gary Oldman am Londoner Royal Court Theatre eine Karriere als Theaterschauspieler. Sechs Jahre später landete er einen Erfolg, der ihn in der Szene berühmt machte und seiner Karriere Auftrieb gab: Für seine Rolle in «The Pope’s Wedding» (1984) gewann Gary Oldman den Fringe Award als «bester Newcomer» und den Drama Magazine Award als «bester Schauspieler». Der Weg zum Kino war dann nicht mehr weit: 1986 gab der Brite im Film «Sid And Nancy» sein Debüt auf der grossen Leinwand und spielte den Bassisten der Punk band Sex Pistols. Für seine authentische Darstellung des Musikers erntete Gary Oldman grosses Lob von den Kritikern. Es folgten fünf weitere Filmrollen als Haupt und Nebendarsteller, bevor dem jungen Schauspieler 1990 mit seiner Rolle im Thriller «State of Grace» an der Seite von Sean Penn der endgültige Durchbruch in der US-amerikanischen Filmwelt gelang. So zog Gary Oldman Anfang der Neunzigerjahre in die USA, um seine Karriere weiter voranzubringen.
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Seither hat Gary Oldman in über 80 Kino und Fernsehfilmen mitgewirkt. So spielte er etwa 1992 in Bram Stokers «Dracula» den Vampir, mimte in der Harry-Potter-Filmreihe den vielschichtigen Sirius Black und porträtierte in «Immortal Beloved» den Komponisten Ludwig van Beethoven.
Fast jährlich ein Filmpreis
Seit den Neunzigerjahren gewann Gary Old man so gut wie jedes Jahr entweder einen Filmpreis oder wurde zumindest für einen nominiert. Seine erfolgreichste Rolle als Winston Churchill im Film «The Darkest Hour» («Die dunkelste Stunde») brachte ihm nebst weiteren vier Auszeichnungen endlich einen Oscar ein. Neben Awards und Nominationen erhielt Gary Oldman für seine Schauspielkünste viel Lob aus der Filmbranche. Viele halten ihn für den besten Schauspieler seiner Generation, darunter der USFilmkritiker Roger Ebert, der ihn als «best young actor around» bezeichnet hat. Diese Meinung teilen berühmte Schauspieler wie Colin Firth, Peter Travers (einer von Oldmans Lieblingsschauspielern) oder Alec Baldwin. Andere sehen in ihm einen der besten Filmbösewichte aller Zeiten – etwa als gewalttätiger Zuhälter in «True Romance» (1993) oder als korrupter Agent im Film «Léon» (1994).
Auch als Regisseur und Filmproduzent hat sich Gary Oldman einen Namen gemacht. Zusammen mit Douglas Urbanski gründete er im Jahr 1996 die Filmproduktionsgesellschaft SE8 Group. Diese brachte den Film «Nil By Mouth» hervor, in dem Gary Oldman erstmals in seiner Karriere Regie führte und zudem das Drehbuch zum Film verfasste. Seither haben Gary Oldman und Douglas Urbanski für zahlreiche weitere Projekte zusammengearbeitet. Als Produzent fungierte Gary Oldman bei zwei Filmen: «Plunkett & Mac leane» (1999) und «The Contender». In Letzterem spielte er zudem die Hauptrolle.
Das Erfolgsgeheimnis
Ein Schlüssel zu Gary Oldmans Erfolg ist seine ausserordentliche Wandelbarkeit. Diese hat ihm den Spitznamen «das Chamäleon» ein gebracht. Spielt er eine Rolle, versetzt er sich ganz in ihre Persönlichkeit und verinnerlicht all ihre Schattierungen. Dabei schafft er es, Emotionen zu transportieren und Klischees ausser Kraft zu setzen. Über sein Talent sagte Oldman einmal: «Was eine Schauspielschule nicht vermitteln kann, ist Instinkt. Sie kann den Instinkt schärfen, aber nicht lehren. Intuition muss man einfach haben. Sie ist eine wesentliche Zutat.» Gary Oldman ist auch bekannt dafür, in fast jedem Film mit einem anderen Akzent zu sprechen – im Privaten hat er indessen den für die britischen Unterschicht typischen Cockney-Dialekt aus seiner Kindheit beibehalten. Für seine Rolle als George Smiley im Film «Tinker Tailor Soldier Spy» nahm Gary Oldman fünfzehn Kilo zu. Zudem traf er sich mit dem Drehbuchautor David John Moore Cornwell, um Hintergründe über die Figur des Herrn Smiley zu erfahren. So einfühlsam und realistisch Gary Oldman die Persönlichkeiten auch mimt, er wird nie sie selbst: «Jeder Schauspieler, der Ihnen sagt, dass er zu dem Menschen geworden ist, den er spielt, ist ein Schwindler. Es sei denn, bei ihm wurde eindeutig Schizophrenie diagnostiziert.»
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Zwei weitere Gründe für Gary Oldmans Erfolg sind seine Willenskraft und seine Hartnäckigkeit. Was er sich vorgenommen hat, verfolgt er, bis er es erreicht hat. Von schlechter Kritik lässt er sich nicht beirren. «Was andere Leute von mir denken, geht mich nichts an», sagte er einst.
Gary Oldman privat
Anders, als es seine gelegentlichen Rollen als Psychopath vermuten lassen, gilt Gary Oldman privat als ruhige und sympathische Person. Er hat bleibende Freundschaften geschlossen, etwa mit dem Harry-Potter-Hauptdarsteller Daniel Radcliffe (vgl. sein Porträt in Blaues Kreuz 2/2020). Dem Rummel um seine Person weicht Oldman aus. «Ich gehe nicht zu Premieren. Ich gehe nicht an Partys … Ich möchte das alles nicht. Ich gehe nicht aus. Ich esse einfach jeden Abend zu Hause mit meinen Kindern. Berühmt zu sein, ist eine ganz andere Karriere. Und dafür habe ich keine Energie.» In der Tat ist Gary Oldman ein Familienmensch. Er glaubt an ein stabiles, erfüllendes Eheleben. Seit 2017 ist er mit der Autorin und Kuratorin Gisele Schmidt verheiratet – in fünfter Ehe. Aus früheren Verbindungen hat er drei Söhne: Alfie aus seiner ersten Ehe mit der Schauspielkollegin Lesley Manville und Gulliver Flynn sowie Charlie John aus seiner dritten Ehe mit der Fotografin Donya Fiorentino. Für letzte beide hat er nach der Scheidung das alleinige Sorge recht erkämpft. Seinen Kindern versucht Gary Oldman ein guter, verantwortungsvoller Vater zu sein. Über Kindererziehung sagte er einst: «Es gibt kein Handbuch für Kindererziehung. Als Elternteil wandelt man auf einem schmalen Grat, weil man diese rohen Wesen zivilisieren muss. Sie kippen den Kaffee um und malen mit den Fingern auf den Tisch. Irgendwann muss man sagen: ‹Das müsst ihr jetzt aufräumen, denn man malt nicht mit Kaffee auf den Tisch›.»
Als er jünger war, litt Gary Oldman längere Zeit unter Alkoholabhängigkeit. Er war dabei, den Fehler seines Vaters zu wiederholen. Zeitweise war der Schauspieler wegen seiner Alkoholprobleme sogar in einer Entzugsklinik. Zu seinen schlimmsten Zeiten «schwitzte er Wodka», konsumierte das Getränkeflaschen weise und fällte einzelne Entscheidungen für Filmrollen im Rausch. 1991 kam er mit dem Gesetz in Konflikt, als er nach einem Abend mit seinem Schauspielkollegen Kiefer Sutherland betrunken am Steuer erwischt wurde.
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Vier Jahre später schaffte Gary Oldman den Entzug in einer Klinik. Danach trat er den Anonymen Alkoholikern bei, die ihn in seiner Entscheidung, trocken zu bleiben, bestärkten. «Nüchtern zu werden war eines der drei entscheidenden Ereignisse in meinem Leben – neben der Tatsache, dass ich Schauspieler wurde und Kinder bekam. Von diesen drei Ereignissen war nüchtern zu werden am schwierigsten.» Eine Alkoholabhängigkeit, wie er sie nun seit über einem Vierteljahrhundert hinter sich zurückgelassen hat, wünsche er «nicht einmal seinem schlimmsten Feind». Oldman wird auch weiterhin den Alkohol vermeiden, den er als «dreiköpfigen Drachen, der dich geistig, emotional und körperlich angreift» beschreibt.
Was seine politische Haltung und seine Weltanschauung betrifft, hält sich Gary Oldman in der Öffentlichkeit weitgehend bedeckt. Bekannt ist: Von politischer Korrektheit hält er ebenso wenig wie davon, dass man ihn einer Partei zuordnet. Der DreamWorks-Manager Douglas Urbanski hat ihn einmal als «die am wenigsten politische Person, die ich kenne» bezeichnet. Von sich selbst sagt Gary Oldman, er sei am ehesten ein Libertärer: jemand, der Wert auf die persönliche Freiheit der Menschen legt. In einem nicht religiösen Umfeld aufgewachsen, bezeichnet Gary Old man sich nicht als gläubig, aber als spirituell. Dass es eine höhere Kraft gibt, scheint Gary Oldman allerdings zu spüren: «Wir haben einen Kodex, nach dem wir unser Leben führen sollen. Wir befolgen ihn nicht immer, aber er ist immer noch da.» Über seine Befreiung von der Alkoholsucht sagte er: «Durch die Gnade Gottes bin ich heute noch hier und am Leben.»
Quelle: Blaues Kreuz 2/2022
